02.07.2021
Über meinen Anspruch, die Realität und das schlechte Gewissen
Ich weiß noch ganz genau, wie es war, als sich was bei mir änderte.
Der Moment, in dem ich feststellte, dass ich eine für mich falsche Richtung eingeschlagen hatte. Dass ich unbedingt abbiegen musste!
Mein ältestes Kind war da vielleicht ein Jahr alt. Es ging ums Zähneputzen.
Damals war es mir sehr wichtig, dass mein Kind zumindest abends die Zähne geputzt bekommt. Wenn nötig unter starkem Protest. So ganz nach dem Motto: "Der Zweck heiligt die Mittel."
Wenn ich heute darüber schreibe, wird mir ganz anders.
Ich - gefangen in meinem Glauben - Zahnhygiene steht ganz weit oben - habe mich über die Proteste und Abwehrversuche meines Kindes hinweggesetzt und die Zähne geputzt.... Ich saß mit meinem Kind, das sich wehrte und schrie, auf dem Klodeckel und versuchte zu putzen.
Eines abends saß ich erledigt und geschafft neben meinem Mann auf dem Sofa. Wir ließen den Abend gemeinsam revue passieren. Die fordernden Momente am Abend, wenn das Zähneputzen ansteht. Und plötzlich der Gedanke:
"Was machen wir hier eigentlich????"
Ein Gedanke, ein Moment, der so viel in mir veränderte. Auf Schlag wurde mir bewusst, wie verrückt, übergriffig, zerstörerisch und völlig überflüssig mein Verhalten meinem Kind gegenüber war.
Ich hatte mit dieser Handlung bereits mehrere Abende die Beziehung zu meinem Kind belastet.
Signale gesendet, wie "übergriffiges Verhalten von mir zu dir ist in Ordnung!" oder "Gewaltanwendung (und das war es ja!!!) ist in Ordnung".
Ich habe meine eigenen Werte verraten. Habe unter dem Deckmantel von "so macht man das", "so muss es sein" und "Zahnhygiene muss sein" Gewalt angewendet um meinen Plan zu verfolgen.
In diesem Moment ging wortwörtlich ein Ruck durch meinen Körper.
Ich trug die Verantwortung für diese Situation, so wie wir Erwachsenen es immer tun, wenn wir mit Kindern in Kontakt sind.
Und dieser Verantwortung musste ich nun mit offenen Augen übernehmen.
Ich begann mir Gedanken zu machen. Über mich, meine Gedanken und meine Handlungen.
Verglich das "so soll es sein" mit dem "so ist es".
Das tat weh. Glücklicherweise tat ich das nicht allein. Zusammen mit meinem Mann, meinen Freudinnen und vielen Inspirationen und Sichtweisen von außen begab ich mich auf die Suche nach Antworten.
Ich begann also anzugleichen und Perspektiven zu verändern, meine Grundhaltung und Werte neu zu justieren.
Und ich machte mir Vorwürfe! Das schlechte Gewissen über das, was ich bis dahin getan hatte, wurde immer lauter und lauter.
Ich habe mir verziehen.
Dafür, dass ich es vorher nicht besser konnte.
Dafür, dass ich es vorher nicht besser wusste.
Ich habe gelernt, dass es eine Chance für unser eigenes Wachstum sein kann, Kinder beim Aufwachsen zu begleiten.
Ich habe gelernt, dass wir gemeinsam wachsen dürfen,
dass jeder Zeit ein Kurswechsel stattfinden kann und darf.
Ich habe gelernt, dass wir durch genaues Hinsehen und Hinfühlen so viel von unseren Kindern lernen können. Dass wir uns selbst neu kennenlernen können.
Und natürlich ist mir Zahnpflege immer noch wichtig. Aber nicht um jeden Preis.
Hier sind Ideen gefragt. Kreative Lösungsmöglichkeiten. Ein aneinander annähern.
Und ja: Im Notfall, sollte wirklich gar nichts gehen, gehen meine Kinder auch mal ohne geputzte Zähne ins Bett. Das ist für mich auch nicht leicht auszuhalten, aber es ist alle Male besser, als sie dazu zu zwingen.
Lasst es euch gut gehen!
Johanna
PS: Kennst du diese Gedanken auch? Hast du auch manchmal das Gefühl, dass es so wie es läuft nicht (mehr) passt? Hast du ein schlechtes Gewissen? Zeit etwas zu verändern! Aber du weißt nicht wie?
Melde dich gerne bei mir über das Kontaktformular, per Mail oder per Telefon.
Johanna Martinek Mütter - und Familienberatung
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